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Die Geschichte unserer St. Anna-Glocken

Die Geschichte unserer St. Anna-Glocken

Von Franz-Josef Wiemer

 

„Im Glockenruf begegnen sich Gott und die Welt,

grüßt der Himmel die Erde,

grüßt der Vatergott seine Kinder". 

Verfasser unbekannt.

Glocken haben mit ihrem Klang schon zu allen Zeiten Menschen fasziniert. Die Entwick-lung ist möglicherweise auf tönende Fruchtschalen oder Holzgefäße zurückzuführen, wie wir sie heute noch bei Naturvölkern kennen. Bei verschiedenen Kulturvölkern wurden sie später aus Stein und vor allem aus Metall gefertigt. Der Glockenguß wurde im wesentlichen von Mönchen entwickelt und seit dem 13. Jahrhundert auch von Laienhandwerkern vorgenommen.

Seit dem 8. Jahrhundert dienen die Glocken in erster Linie als Kirchenglocken. Sie haben aber bis heute noch gelegentlich weltliche Aufgaben, z.B. beim „Wetterläuten". Nach kath. Kirchenrecht sollen Kirchen und öffentliche Kapellen Glocken haben, um zum Gottesdienst oder Gebet zu laden. Nach evangelischem Kirchenrecht sind sie für die Kirchen nicht vorgeschrieben, aber allgemein üblich.

In der kath. Kirche schweigen die Glocken von Gründonnerstag bis zur Ostervigil, weshalb dann in einigen Gegenden mit Schnarren, Ratschen, bei uns mit „Kläpperkes", die Gläubigen zum Gottesdienst gerufen werden.

Glocken erhalten eine Benediktion (kath. kirchliche Weihe), einen Namen und werden ein Glied der Kirche. Um Glocken, die als beseelte Wesen gelten, ranken sich zahlreiche Sagen und Erzählungen. So konnten sie Frevel aufdecken, indem sie von selbst läuteten oder sie versagten dem Unwürdigen den Ton. Wir kennen die Sage vom jähzornigen Meister, der den Lehrbuben beim Glockenguß erschlägt, und Goethes Ballade, in der die wandelnde Glocke das unfolgsame Kind zur Andacht in die Kirche zurückholt 1) Wir erinnern uns: In den großen Ferien mußten wir Schillers „Lied von der Glocke" auswendig lernen, das den Glockenbau als Symbol des menschlichen Lebens darstellt.

Es sollte uns einfach nicht genügen, unsere Glocken jeden Tag zu hören, ohne ihr Aussehen zu kennen und ohne zu wissen, „wie und wo die Glocken hängen". Gleichzeitig bedürfen einige Unklarheiten der Richtigstellung.

So sind dann Josef Hillebrand und ich über Wendeltreppen und hohe, steile Holzleitern mit Hand- und Taschenlampen mehrmals in dunkle Dachstühle aufgestiegen, um Inschriften zu suchen und zu fotografieren.

Einige Ereignisse der damaligen Zeit, bekannte und evtl. unbekannte, gehören zur Geschichte und Chronologie unserer Glocken und sollten daher erwähnt werden.

„Ad Exaltationem S. Crucis" — Zum Hochheiligen Kreuz

Bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts befand sich im Dorfzentrum die Kapelle „Ad Exaltationem S. Crucis", die uns unter dem Namen „Zum Hochheiligen Kreuz" oder allgemein unter „Heilig-Kreuz-Kapelle" bekannt ist. Die alte Dorfkapelle stand nahe der jetzigen Kirchstraße auf dem Vorplatz zur Kirche in Höhe des heutigen Ehrenmales „Die Flehende". Diese Kapelle war ein Baudenkmal2), im Renaissancestil errichtet, und stammte aus dem 17. Jahrhundert. Erst nach Genehmigung durch den Regierungspräsidenten am 24. Oktober 1912 wurde dem Abbruch zugestimmt. Der Grund dafür läßt sich u.a. durch ein Schreiben des Landesbauamtes in Meschede belegen. Danach haben 32 Automobile am 2. Pfingsttag, Anno 1912, die gefährliche Straßenecke passiert und Schulkinder gefährdet, welche keinen ausreichenden Spielplatz zur Verfügung hatten, sondern auf die vorbeifüh­rende Provinzialstraße angewiesen waren.

Der Abriß der alten Kapelle dauerte 4 Wochen. Er fand statt vom 11. Februar bis 13. März 1913 — bei Kälte und Nässe von treuen Nuttlarern Arbeitsleuten teils von nachmittags um 3 Uhr bis abends 7, teils von 7 bis 10 Uhr abends bei hellem Lampenlicht. Die dicken Mauern mußten durch Pulver niedergelegt werden. Die dicken Steine wurden ausgesucht und zum Neubau der S. Anna-Kirche und zur Höherlegung des Kirchplatzes verwandt.

Diese Kapelle hatte beim Abriß im Jahre 1913 zwei Glocken:

Die größere Glocke, die ab 1883 zunächst in der Dorfkapelle über dem 16 qm großen Vorraum mit dem Haupteingang angebracht war und eine sicherlich vorhandene kleinere Glocke ersetzt hat, deren Verbleib nicht geklärt ist, und

die kleinere, 60,5 kg schwere Glocke, die im Jahre 1901 von August Sauerwald gestiftet worden war.

Die Glocke des Jahres 1883 hängt heute im Dachreiter der Friedhofskapelle und trägt folgende erhabene Inschrift:

 

Die Übersetzung:

DEUM LAUDO                                             GOTT LOBE ICH

VIVO VOCO                                                DIE LEBENDEN RUFE ICH

MORTUOS PLANGO                                 DIE TOTEN BEKLAGE ICH

EX OFFI CINA                                            AUS DER WERKSTÄTTE

HENR. HUMPERT BRILONIENSIS        HEN. HUMPERT EINES BRILONER BÜRGERS

IN HONOREM ST. * ANNAE *                 ZUR EHRE VON :; ST. ANNA :;

NUTTLAR ANNO 1883 *                           NUTTLAR IM JAHRE 1883 :;

KELLERMANN VIC.                                   KELLERMANN VIKARIUS :;

 

Die kleinere Glocke mußte am 30. Juli 1917 an die Heeresverwaltung abgeliefert werden. 272,25 Mk wurden der Kirche dafür vergütet. Diese Glocke mußte im Dachreiter des Kapellenanbaues angebracht worden sein. In den vorliegenden authentischen Unterlagen wird stets von einer größeren und von einer kleinen Glocke gesprochen. Diese Begriffe und Eintragungen sind aus heutiger Sicht unklar.

 

Die Glocke unserer Friedhofskapelle

Wie vorher bereits erwähnt, stammt die Glocke des Jahres 1883 -ca. 100 kg schwer- aus der alten Dorfkapelle „ad Exaltationem S. Crucis". Bevor sie im Jahre 1912 abgenommen wurde, hat sie Jahrzehnte lang mit ihren trauten Klängen unsere Vorfahren zum Gottes­dienst gerufen und Freud und Leid verkündet.

Nach Abriß der Kapelle wurde sie aufbewahrt. Sie schwieg 36 lange Jahre, bis sie im Jahre 1948 wieder einen Platz im Türmchen unserer Friedhofskapelle fand, die von der Kolpingfamilie mit Hilfe der Gemeinde errichtet wurde. Es ist eine schöne Glocke. Reich an Verzierung und erhabener Schrift (siehe oben). Die Enge im Glockenstuhl der Friedhofskapelle läßt leider die Anfertigung eines Fotos nicht zu.

Am Samstagabend, dem 17. September 1948, erklang sie erstmalig wieder und begleitet nun mit ihrem Läuten unsere lieben Verstorbenen auf ihrem letzten Weg.


Ad St. Annam

Im Jahre 1745 wurde auf dem Dümel die Kapelle „ad St. Annam", die St. Anna-Kapelle erbaut, die im Jahre 187o wegen des Eisenbahnbaues abgebrochen werden mußte. Die Eisenbahnverwaltung zahlte am 6. August 1879 für die abgebrochene Kapelle 8oo Mk, die bei der Sparkasse Meschede eingezahlt wurden. Dieser Betrag war bis Anno 1887 auf 9oo Mkangewachsen und wurde dann zum Erweiterungsbau der Dorfkapelle „Zum Hochheiligen Kreuz" verwandt. Nach dem Abriß der Dümelskapelle bewahrten unsere Vorfahren aber der hl. Mutter Anna ihre Liebe und Verehrung. Sie gründeten eine Schützengesellschaft, die ab 1950 durch Satzungsänderung eine Bruderschaft wurde.

Auch über diese Glocke ist z.Zt. ebenfalls nichts bekannt. Es muß unterstellt werden, daß diese Kapelle 125 Jahre lang nicht ohne Glocke gewesen sein kann. Gehen wir einmal davon aus, daß nach Gründung der Schieferbau AG im 19. Jahrhundert die Beschaffung einer Glocke für die Bergleute nicht gerade vorrangig gewesen sein dürfte, so müßte entweder diese Dümelsglocke oder die Glocke aus der alten Dorfkapelle im Dachreiter des späteren Schneidhauses angebracht worden sein. Dies wird sich wohl nie klären lassen.

Erweiterung der Kapelle „Zum Hochheiligen Kreuz"

Im Jahre 1884 hatte Nuttlar 900 Einwohner. Die alte Kapelle war baufällig geworden und mußte mit Eisenstangen vor dem Zusammensturz bewahrt werden. Vikar Kellermann plante den Neubau einer Kirche. Auf sein Gesuch vom 4. Dezember 1884 erhielt er von der Bischöflichen Behörde jedoch einen ablehnenden Bescheid. Es kam dann zu einem Kapellenanbau, zu dem eine feierliche Grundsteinlegung am 9. Mai 1886 erfolgte. Die Urkunde wurde mit in den Grundstein unserer jetzigen St. Anna-Kirche eingemauert. Nach dem Ankauf von Grundstücken wurde die alte Kapelle „Zum Hochheiligen Kreuz" zweimal, 1870 und 1875, erweitert und galt noch bis zum Jahre 1912 als Baudenkmal. Im Jahre 1877 wurde die Kapelle von Franz Hoffmann, Werl, einem gebürtigen Nuttlarer, ausgemalt.

 

Blick auf unsere alte Kapelle „Zum Hochheiligen Kreuz" vom Standort des Wohnhauses Normann/Kersting in Richtung Feuerwehrgerätehaus.

 


Blick auf die alte Kapelle etwa vom Standort des heutigen Feuerwehrgerätehauses.
Rechts im Hintergrund ist der Hausgiebel des Hauses Hubert Kersting zu erkennen.
(Entnommen aus Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen.)

Unsere Schieferbergwerksglocke

Über die Glocke ist nichts bekannt, außer daß sie im Dachreiter des Schneidhauses angebracht war. Sie wurde täglich vor Arbeitsaufnahme unter Tage im „Kaiser-Wilhelm­Stollen" und „Auf der Katz" etwa eine Minute vom Steiger geläutet. Die Bergleute sprachen dann bei abgenommenem Schutzhelm ein stilles Gebet, stellten sich unter den Schutz Gottes und der Gottesmutter und gingen vor Ort. Im Bereich des Schneidhauses ruhte währenddessen für diese kurze Zeit die Arbeit, weil man mitbetete. Für die über Tage beschäftigten Mitarbeiter des Schieferbergwerks läutete die Glocke noch einmal zum Schichtende, das die unter Tage beschäftigten Bergleute bereits eine halbe Stunde vorher erreicht hatten. Die Grube wurde im Oktober 1984 geschlossen. Im Winter 1984/1985 wurde die Schieferbergwerksglocke entwendet und ist seitdem verschollen. 3)

 

Die Marienglocke in Grimlinghausen

Seit 1876 4) hängt am Wohnhaus der Familie Varnhagen in Grimlinghausen eine Glocke, die nunmehr seit 117 Jahren täglich dreimal zum Angelus-Gebet geläutet wird. Für uns ist es fast unvorstellbar, daß dies zu Ehren der Gottesmutter stets pünktlich und ohne Ausnahme geschehen ist.

Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang die langjährige Glöcknerin Frau Maria Varnhagen, besser bekannt als „Krusen Märiken", die seit frühester Kindheit den Glockendienst übernommen hatte. Sie war eine Frau, die in treuer Liebe zum Herrgott und seiner gebenedeiten Mutter diese Pflicht bis zu ihrem Tode erfüllte. Nur an wenigen Tagen ist das Läuten im Jahre 1936 unterblieben. Das alte Bauernhaus Varnhagen wurde ein Raub der Flammen. Die Glocke wurde aber unversehrt geborgen und am Anbau des neuen Hauses wieder angebracht. Das um die 3o Seelen zählende Dorf erkannte seine Glöcknerin am Läuten. Wenn Sie einmal für einen Tag mit den Nuttlarer Senioren auf Reise ging, bemerkten die Nachbarn ihre Abwesenheit am Geläut.

Anton Stremmer weiß zu berichten, daß sie die Feldarbeit verlassen hat, um stets pünktlich zum Angelus-Gebet zu läuten.

In dem Buch von Magdalene Padberg „Glocken im Sauerland") ist sie als Glöcknerin abgebildet. Es wird darin über sie gesagt:

 

„Mit den Händen gebetet, mit den Händen gearbeitet, mit den Händen geläutet und damit als Maria MARIA gedient. Maria Varnhagen ist mit 76 Jahren am 15.08.1983 gestorben. Sie hat die Marienglocke an der Front ihres Hauses in Grimlinghausen bei. Nuttlar jahrzehntelang geläutet."

Seit dieser Zeit wird die Tradition weiterhin morgens um 7.00 Uhr, mittags um 12.00 Uhr und abends um 19.00 Uhr von der Familie Franz Varnhagen aufrechterhalten und zum Engel des Herrn — Angelus-Gebet — geläutet. Die heutige Glöcknerin ist Rosemarie Varnhagen. Ad multos annos — noch viele Jahre ...und ...vielen Dank!



Bild links :
Maria Varnhagen + 1983.
Bild rechts: Die Marienglocke wird heute
von Rosemarie Varnhagen geläutet
)

Die Glocken unserer St. Anna-Pfarrkirche



Unsere beiden Glockenuhren schlagen auch uns einmal die Stunde. Von außen sichtbar hängen sie innen an einem durchgehenden Balken. Es sind Glocken aus Eisen oder Gußstahl, die sehr dünnwan­dig sind. Die Größere trägt die stark verrostete Inschrift „1918": beide Glocken sind aus einem Jahr und haben eine Scheibenkrone. Tonlagen: as 6` und c" + 5 (schwebend); Durchmesser 500 und 633 mm. 6)

 

Am 29. November 1923, als die Inflation ihr Ende gefunden hatte, regte der Männergesangverein die Beschaffung neuer Glocken an und erklärte sich bereit, die kosten für Glocke aufzubringen. Diese Anregung, fand in der ganzen Gemeinde begeisterten Widerhall.

Am 9. Dezember 1923 wurde in einer Versammlung der Gemeinde die Anschaffung auch der beiden anderen Glocken beschlossen.

Eine Kommission wurde gewählt, bestehend aus dem Kirchenvorstand, Direktor Kohle, Lehrer Gielsdorf und Lokomotivführer Franz Gödde. Dr. Kohle besorgte eine Anleihe von 8000 Mk (8000 Mk Goldwährung =40.144 DM  7).

 

Am 26. Dezember 1923 stifteten die Herren H. und F. Schneider, Otto, Hermann und Hugo Sauerwald die größte Glocke. Nach längeren Verhandlungen mit der Glockengießerei Humpert in Brilon wurde der Auftrag erteilt für eine e`-Glocke ca. 1 o g 1500 kg schwer, eine g`-Glocke, ca. 9oo kg schwer und eine a`-Glocke, 600 kg schwer (das Kilo zu 2, 40 Mk .)

Die Glocken wurden in der Woche des Passionssonntags auf drei reich bekränzten Wagen von Brilon abgeholt und in Nuttlar von einer großen, freudig bewegten Menschenmenge empfangen.

Am Passionssonntag, dem 6. April 1924, fand die Benediktion der Glocken in der festlich geschmückten, von Nuttlarern und Auswärtigen vollbesetzten Kirche durch Pfarrer Biggemann nach einer kurzen Festpredigt statt. Die Montage erfolgte in der folgenden Woche. Den Glockenstuhl lieferte der Zimmermeister, Ludwig Einhäuser, Nuttlar. Die Kosten betrugen für die Glocken = 7.829,2o Mk, für die Montage 32,8o Mk für den Glockenstuhl 1.751,91 Mk, insgesamt rund 9.614 Mk. (1993 = 48.243 DM 7) Am Ostermorgen des Jahres 1924 um 5 1/2 Uhr sandten die Glocken zum ersten Male ihre Töne über die Gemeinde und Umgebung zur großen Freude aller, die sie hörten.

 


Glockenweihe am 6. April 1923.

Die neuen Glocken mit Pfarrer Engelbert Biggemann.


Links: Die e`-Glocke Skt. Anna, 1467 kg schwer, mußte 1942 abgegeben werden und wurde eingeschmolzen. Verzierung: Steg mit Eichenlaub und Hilfslinie (siehe Seite 144, sinngemäß wie unter der Glocke Skt. Joseph beschrieben.

 

Mitte: Die a`-Glocke Skt. Joseph, 599 kg schwer, sie blieb uns erhalten. Beschreibung: Siehe unten.

 

Rechts: Die g`-Glocke Skt. Maria, 867 kg schwer, mußte 1942 abgegeben werden und wurde eingeschmolzen. Steg mit Eichenlaub und Hilfslinie.

 

Gutachten über die neuen Glocken

Durch den Seminaroberlehrer Ben Esser, Fachlehrer für Musik in Arnsberg wurde am 18. Juni 1924 ein Gutachten erstellt, das u.a. besagt: ,, ...daß die drei Glocken als vorzüglich gelungen und als höchstwertige Erzeugnisse der Gießerkunst zu bezeichnen sind, als Kunstwerke, deren klangliche Vorzüge kaum zu übertreffen sein dürften." Das Gewicht der Glocken betrug: 1467, 867 und 599 zus.: 2933 Kilogramm.

Die Inschriften lauteten:

(bei der e`-Glocke, 1467 schwer)

SKT. ANNA
GESTIFTET VON DEN FAMILIEN HEINRICH UND FRANZ SCHNEIDER,
OTTO, HERMANN UND HUGO SAUERWALD ANNO 1924

 

 

(bei der g`-Glocke, 867kg schwer)

 

SKT. MARIA
GESTIFTET VOM MÄNNERGESANGVEREIN NUTTLAR
ZUM 25JÄHRIGEN ORTSJUBILÄUM DES ERSTEN PASTORS IN NUTTLAR
ENGELBERT BIGGEMANN. ANNO 1924

 

 

(bei der a`-Glocke, 599 kg schwer)

 

SKT. JOSEPH
ORA PRO NOBIS NUTTLAR

 

(Die a`-Glocke St. Joseph aus dem Jahre 1924 ist heute noch vorhanden.)

 

Der vom MGV8) gestiftete Betrag zur Glocke Skt. Maria betrug 2.268,00 Mk. Hierzu kam ein Anteil aus Altmetall. Zugunsten der gestifteten Glocke fand am 24. Februar 1924 ein Familienabend mit Verlosung statt, deren Reingewinn dem Glockenfond zufloß. Paten der Glocke waren Frau Carl (Elisabeth/d. Verf.) Brücher und Anton Hückelheim. Die Weihe der Glocken wurde durch Gesangvorträge des MGV verschönert. Auf Einladung des Vereins fand am 29. Juni 1924 ein Konzert des Quartettvereins Glocke, Haspe, in der Schützenhalle statt. Am Vorabend war eine Festveranstaltung bei Fräulein Sauerwald.

Es kann nicht festgestellt werden, ob die Gewinne dieser Veranstaltungen zur Glocken­spende verwandt wurden. In Anbetracht des gewählten Vereins mit dem zünftigen Namen „Glocke" kann dies jedoch angenommen werden.

Von ehemaligen älteren Sangesbrüdern wurde mündlich überliefert, daß der aktive Sangesbruder Wilhelm Senger, allgemein und besser bekannt als Tillem Wilm (Altwaren­geschäft), sich in hohem Maße für die Beschaffung der Glocken eingesetzt hat. Er hat sich sehr um deren Finanzierung bemüht und bei Gesangsstunden mit dem Hut Geld gesammelt. Es ist glaubhaft mündlich überliefert, daß als Anerkennung für seinen hohen, persönlichen Einsatz und finanziellen Aufwand alle Glocken seinen letzten Weg begleitet haben.

 

Die Beierzeit



LÄUTEN IM RHYTHMUS / TEXT UND WEISE: PFR. ENGELBERT BIGGEMANN
(+) ÜBERLIEFERT VON ELSE EICKHOFF UND ÄNNE HOFFMANN
IN NOTEN GESETZT / FEBRUAR 1993 VON FRANZ-JOSEF WIEMER

Unsere Glocken stellen für uns nicht nur eine Kirchenzierde dar. Ihr Klingen ist für viele ein Ohrenschmaus und ein „Gratiskonzert" für uns Hörer. Wie es schon der Leitspruch des unbekannten Verfassers besagt, dienen sie einem viel höheren Zweck. Festgefügt zwischen Himmel und Erde, tragen sie unser Glaubensbekenntnis und unser tägliches Gebet hinauf, um Gottes Segen und Frieden über unser Dorf und seine Bewohner zu erflehen. So war es sicherlich auch damals bei unseren Eltern und Großeltern, die sich täglich noch an dem herrlichen Glockenklang erfreuen konnten. Die Freude ging soweit, daß gegen Ende der Zwanziger Jahre am Vorabend vor hohen Festtagen und an ihnen selbst, vor dem Hochamt „gebeiert" wurde. Heinrich Kersting schildert dem Verfasser gegenüber die Eigenart des Beierns : Die Glocke selbst wird festgestellt. An den Klöppel bindet man ein Seil, das so kurz ist, daß der Klöppel bis auf wenige Zentimeter an den Glockenmantel heranreicht. Schlägt man nun die Hand nach unten, so schlägt der Klöppel an. Der Glockenbeierer hat ihn aber fest im Griff und kann nun im eigenen Rhythmus anschlagen. Hierbei entsteht je nach Intuition der Spieler ein Takt, Rhythmus oder eine eigene Melodie. Unser verstorbener Pfr. Engelbert Biggemann war dem Beiern gegenüber sehr aufgeschlossen. Von ihm stammt die hier wiedergegebene Melodie. Sie ist Frau Else Eickhoff und Frau Änne Hoffmann noch heute in Erinnerung.

„Beiern" ist ein älterer Läutebrauch im Sauerland, eine Art Vorform des Glockenspiels. Vielleicht findet es noch vereinzelt statt.

In Nuttlar gab es zwei Beiergruppen.9) Einmal die Gebrüder Franz und Karl Bollermann (Otten) +, August Hückelheim (Jenneckes) + mit Heinrich und Franz Kersting. Die andere Gruppe unter Hugo Hoffmann (+) mit Bruder Richard +), Georg Brücher (+), Bernhard Becker (+) (Breilsken) und Hubert Mertens (+).

Schwere Zeiten mit Läuteverbot ab 1939

Am  1. September 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Der Einmarsch deutscher Truppen in Polen läßt zunächst England und Frankreich in den Krieg eintreten.Nach und nach werden bis zum Ende des Jahres 1939 bereits ca. 120 Männer und Jungmänner zum Kriegs- und Arbeitsdienst eingezogen. Selbst Lokomotivführer mußten einrücken.

Am 5. September ergeht ein Läuteverbot. Wegen Beeinträchtigung der Zielerfassung der Flak hat ab sofort jegliches Glockengeläute zu unterbleiben. 3. Oktober 1939: Deutsche Truppen ziehen in Warschau ein. Im „Siegesrausch" wird an 7 Tagen das Läuten aller Glocken von 12.00 bis 13.0o Uhr angeordnet. Zu den Gottesdiensten darf aber auch weiterhin nicht geläutet werden. Am Allerheiligenfest 1939 ergeht nachstehende Verfügung des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten durch die Bischöfliche Behörde in Paderborn:

 

Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe

Hauptquartier, den 13. Oktober 1939

 

Betrifft: Läuten der Kirchenglocken.

 

Von einzelnen Kommandobehörden der Luftwaffe ist wegen der etwaigen Störung der Flakartillerie und des Flugmeidedienstes das Läuten der Kirchenglocken allgemein verboten worden. Da so weitgehende Verbote weder notwendig noch erwünscht sind, wird folgendes bestimmt:

 

I. Die Kirchenglocken schweigen:

  1. während eines Fliegeralarms

2. in der Zeit von 18.00 bis 8.00 Uhr

3. bei Taufen und Trauungen.

 

II. Im übrigen treten folgende einschränkende Bestimmungen für das Glockenläuten in Kraft:

1. Die Kirchenglocken läuten grundsätzlich jeweils nur 3 Minuten lang.

2. Das Einläuten der Sonn- und Feiertage wird so vorverlegt, daß es um 18.00 Uhr beendet ist.

3. Am Sonntagmorgen wird nur einmal, und zwar zu Beginn des Gottesdienstes geläutet.
Alles andere Geläut unterbleibt. Das Gleiche gilt für die Feiertage.

4. Bei Beerdigungen oder Geläut für Gefallene wird nur einmal geläutet. Nachgeläut o.ä. fällt fort.

 

Weitergehende Beschränkungen aus Gründen der Luftverteidigung sind nur dann zulässig, wenn eine unmittelbare Störung des militärischen Dienstes durch das Läuten der Glocken in Einzelfällen auftreten sollte. Sie dürfen von den Luftkommandos ggfls. nur für einzelne örtliche Stellen und zeitlich befristet ausgesprochen werden.

 

i.A. gez. Unterschrift

 

Unangenehm für die Gläubigen waren die auferlegten Verdunklungsvorschriften in der Kirche. Ebenso unangenehm war allen Bewohnern, daß die Glocken von nachmittags 18.00 Uhr bis zum anderen Morgen um 8.00 Uhr nicht geläutet werden durften. Es sollten die Horchapparate zum Abhören feindlicher Flieger nicht gestört werden.

 

Weitere Einschränkungen

Am 19. November 1940 teilt die Ortspolizeibehörde Bestwig mit:


Nach einer hier vorliegenden Verfügung der Geheimen Staatspolizei- und der Staatspolizeistelle Dortmund hat der Führer angeordnet, daß in allen Orten, in denen nachts Fliegeralarm war, mit Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung und die Jugend, die Glocken vor 13 Uhr des jeweils folgenden Tages nicht geläutet werden dürfen. Dergleichen dürfen tägliche kirchliche Veranstaltungen an Tagen nach nächtlichem Fliegeralarm nicht vor 1o Uhr stattfinden."  

Weitere Ausführungen dieser Anordnung wurden am 13. Januar 1941 bekanntgegeben. Sie sind im Zusammenhang mit dem Glockenthema ohne Belang, dürften aber im Hinblick auf die angeordneten Erschwerungen für die damalige Bevölkerung von allgemeinem Interesse sein.

1. An Tagen nach nächtlichem Fliegeralarm soll die Bevölkerung nicht durch kirchliche Veranstaltungen in der Möglichkeit zum Ausruhen für Gesundheit und Arbeitseinsatz gestört werden. Jede kirchliche Gewissensverpflichtung zur Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen ist an diesen Tagen zu vermeiden.

2. Die Anordnung bezieht sich daher auf jede kirchliche Veranstaltung auch an Sonn- und Feiertagen. Ich empfehle, die Gläubigen klar und deutlich belehren zu lassen, daß sie sich, wenn sie an Sonn- oder Feiertagen nach Fliegeralarm an kirchlichen Veranstaltungen überhaupt nicht oder nicht ohne besondere Schwierigkeit teilnehmen können, als entschuldigt betrachten dürfen.

3. Im Sinne der Anordnung liegt es, daß, wenn die Entwarnung vor 24 Uhr erfolgt, am nächsten Tage kirchliche Veranstaltungen bereits vor 10 Uhr stattfinden dürfen.

4. Die Anordnung findet keine Anwendung auf nicht öffentliche Gottesdienste, zu deren Besuch kirchlicherseits niemand verpflichtet ist und zu denen das Publikum keinen Zutritt hat (z.B. stille Messen). Jedoch dürfen die Kirchen während solcher Veranstaltungen an Tagen nach Fliegeralarm für das Publikum nicht vor 10 Uhr geöffnet sein.

5. Die Spendung der Krankenkommunion und der Sterbesakramente fällt nicht unter die Anordnung.

6. Dagegen fallen Beerdigungen unter die Anordnung, jedoch sind je nach örtlichen Bedürfnissen Ausnahmen zulässig.

7. Sofern kirchliche Veranstaltungen in der Frühe stattfinden können, müssen während der Verdunklungszeit die Kirchenfenster vorschriftsmäßig verdunkelt werden, damit kein Lichtschein nach außen dringen kann.

8. Die Anordnung gilt nicht für den Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionunterricht. Hierbei ist in der betreffenden Gegend die für den Schulunterricht getroffene Regelung maßgebend.

 

gez. Unterschrift

Die Sankt Joseph-Glocke

 



Aus östlicher Richtung fotografiert.
Gußjahr 1924 in Zinnbronze, Durchmesser
95o mm, 599 kg.

Steg/6,5 cm mit Eichenlaubfries und Hilfslinie/Steg/6 cm mit Is (got. Minuskeln und Initialen, 2,2/1,7cm), „SKT. JOSEPH, ora pro nobis. (Rosette) + (R)"; gegenüber „Nuttlar 1924. (R) + (R)"/Steg/2,2 cm/Steg;

Schlagring: Gießermarke mit Is ". Gegossen von // Junker und Edelbrock, Brilon/Westf./5 Stege (je 1,8 cm);

Tonanalyse über/unter der internationalen

Stimmung: Unteroktave a-7+, Schlagton a`-7, a` = o, c" -1, e' = o,a -7;

Ablieferung und Abtransport der Glocken

Es bestand eine Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 11.03.1939. Danach waren bereits alle Bronzeglocken und andere Buntmetallgegenstände vorsorglich beschlagnahmt worden. Am 11. April 1942 war es dann auch bei uns soweit. Eine Anordnung in dieser Zeit nicht auszuführen kostete „Kopf und Kragen." So war Zimmermeister Karl Einhäuser verpflichtet worden, die Glocken am Tage vor Weißen Sonntag, am 11. April 1942, abzunehmen und im unteren Turmgeschoß aufzustellen.


Abtransport der Glocken am 24. April 1942: Ein trauriger Tag und ein trostloser Anblick. Für die Pfarrgemeinde hieß es Abschied nehmen von ihren klangvollsten und schwersten Glocken. Sie sind abzuliefern und werden zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Es verblieb nur die kleine a`-Glocke St. Joseph, die auch dann nur mit den bekannten Einschränkungen geläutet werden durfte.

 

 

Am Sonntag, dem 8. April 1945, endete nach Einmarsch amerikanischer Truppen für uns Nuttlarer der Krieg. Wenige Tage zuvor waren noch zwei Granaten in den Turm der Kirche eingeschlagen und hatten schwere Zerstörungen angerichtet, deren Folgen erst im Jahre 1988 bei der großen Außenrenovierung unserer Pfarrkirche endgültig beseitigt werden konnten.

Seit Sonntag, dem 16. April 1945, konnte der Gottesdienst wieder wie vor dem Krieg in aller Ruhe gefeiert werden.

Am 16. April wurde die Turmuhr durch zwei Herren von der Ruhrchemie zur allgemeinen Freude wieder in Gang gebracht. Am Nachmittag ab 18 Uhr war wieder elektrisches Licht da, und die Glocke konnte wieder geläutet werden.

In allen Gemeinden rührten sich Kräfte, die ihr altes Geläute baldmöglichst wieder hören wollten. Es war RM-Zeit. Viel konnte man für das Geld nicht mehr bekommen. Naturalien mußten bei der Auftragsvergabe mitangeboten werden. Mit abermals großem Nachdruck setzte sich Herr Franz Schneider für die Neubeschaffung der Glocken ein. Zweihundert Zentner Koks, von ihm gestiftet, halfen, daß es zum baldigen Neuguß unserer Glocken kam.

Umfangreiche Recherchen und der Zufall halfen, auf die richtige Spur zu kommen, um Auskunft über den Neuguß der Glocken zu erhalten. So steht nunmehr fest, daß der Auftrag zur Neuanfertigung bei der Glocken- und Metallgießerei Albert Junker, Brilon, 1948 erfolgt war. Die Firma war zu dieser Zeit aber ausgebucht und vergab einzelne Aufträge an die Firma J.G. Schwietzke, Metallwerke, Düsseldorf 10. So wurden auch die Glocken unserer Nachbargemeinde St. Andreas, Velmede, in Düsseldorf gegossen. Es wechselten hier 100 Sack Zement den Besitzer. Warum sollten die 200 Zentner Koks aus Nuttlar nicht auch den Weg nach Düsseldorf gefunden haben? Zeitlich bestand hier eine volle Übereinstimmung.

Die neuen Glocken

Ein kleiner Satz unter dem Bericht der Westfalenpost (WP) Soli deo gloria, vom 11.08.1948 über die Glockenweihe in Velmede führte endgültig auf die richtige Spur:

„Auch die Gemeinde Nuttlar hat zwei neue Glocken erhalten. Die Weihe wird am Sonntag vollzogen werden."

Unsere Glocken wurden am Mittwoch, dem 11.08.1948, auf einem Lkw-Anhänger geliefert. Wie der Zufall weiter so spielt und die Feststellung der Glockenlieferung untermauert:

Am Mittwoch, dem 11.08.1948, hat die verbliebene St. Joseph-Glocke zur Brautmesse für Dietrich Brücher und Therese Fischer geladen. Die neuen Glocken trafen aber erst am Nachmittag ein, wie durch das abgebildete Foto der Gebrüder Karl und Wilhelm Brücher belegt werden kann. Zur Freude der Bewohner waren die Glocken zuvor durch einzelne Straßen des Dorfes gefahren worden.

Die Weihe muß also am Sonntag, dem 1 5 . August 1948, vollzogen worden sein. Geläutet haben sie erstmalig wieder gemeinsam am Mittwoch, dem 18. August 1948. Hier konnten Ohren — mit dem absoluten Gehör — in der Königstraße einen Klangunterschied zwischen den „alten" und den neuen Glocken feststellen. Die neuen Glocken sind in Briloner Sonderbronze gegossen.

Die 3 Glocken für Velmede befanden sich zuvor auf dem Lkw und waren in Velmede abgeladen worden. Die Velmeder haben insgesamt ein Gewicht von 2938 kg und kosteten 12.103,40 RM.

 

Am 11. August 1948 liefert die Glockenfirma aus Düsseldorf unangemeldet die neuen Glocken an. Mit Bewohnern der heutigen Kirchstraße geht Pfr. Biggemann den Glocken bis zum Bahnübergang (in Richtung Bestwig) entgegen.

Nach Durchfahrt durch einige Straßen im Dorf haben sich zahlreiche Nuttlarer an der Kirche versammelt. (Karl oder Wilhelm Brücher verdanken wir das Foto, das am Hochzeitstag von Dietrich und Therese Brücher gemacht wurde.)

Das Gewicht unserer beiden neuen Glocken beträgt ca. 1450kg/St. Anna und ca. 86o kg/St. Maria, zusammen: ca. 2310 kg. Im Vergleich mit der vorliegenden Rechnung der Nachbar­gemeinde St. Andreas, Velmede, betrug der Kilopreis rund 4,00 RM. Gesamtkosten einschl. der Schriftzeichen dürften ca. 9.400 RM betragen haben.

Unsere beiden „neuen" Glocken sind schlicht gehalten. Sie tragen in der Mitte nur die Namen: "SANKT ANNA" und "SANKT MARIA". Die Glockenschulter ist ohne Verzierung. In beiden Glocken ist anstelle einer Verzierung erhaben zu lesen:

GEG. V. Albert Junker 1948

 



Vereint hängen die Glocken seit 1948 wieder in der Eichenholzjoche von J & E 1924 und im Glockenstuhl aus Eichenholz, mit Zugstangen, 1924, mit Motoren von Diegner & Schade. (Foto aus nordöstlicher Richtung); von re.: St. Maria/St. Anna/Skt. Joseph; Die g`-Glocke St. Maria, gegossen 1948 in Siliciumbronze (Briloner Sonderbronze) in schwerer Rippe, Durchmesser = 1090 mm, ca. 86o kg, Beschreibung: Schulter; Steg/7 cm mit Is "GEG V: ALBERT JUNKER, BRILON 1948"/Steg/3 cm/Steg; Flanke: Is (4)) „SANKT MARIA", Schlagring 3 Stege (je 2,8 cm); Tonanalyse: g+4+, Schlagton g`-3, Prime g`-2, Terz b`+2, Quinte d"+2, Oktave g"-3;

Die e`-Glocke St. Anna, geg. 1948 in Siliziumbronze (Briloner Sonderbronze) in schwerer Rippe;

Die a`-Glocke St. Joseph, geg. 1924, in Zinnbronze und in schwerer Rippe, nähere Beschreibung Seite 144;

 

Alle Glocken hängen im Glockenstuhl nebeneinander. In der Mitte befindet sich die große St. Anna-, rechts davon die St. Maria-Glocke und links ist die reich verzierte und beschriftete St. Joseph-Glocke zu bewundern. Erfreuen kann uns jedoch nicht der Klang. Wie vorhin bereits erwähnt, haben zahlreiche Nuttlarer die Klangqualität der 1942 abgelieferten Glocken vermißt. Im Gegensatz zu dem von Ben Esser am 18. Juni 1924 erstellten Gutachten mit den Begriffen „vorzüglich gelungen, höchstwertige Erzeugnisse und Kunstwerke, deren klangliche Vorzüge kaum zu übertreffen sein dürften", spricht der amtliche Glockensachverständige der Erzdiözese Paderborn Theo Halekotte, Werl, in seiner Stellungnahme vom 02.04.198 5 ein negatives Urteil aus. Die schwere Konstruktion und das Material machen die Glocken an sich wertvoll. Die Lieferfirma war 1948 allerdings noch nicht in der Lage, die Glocken nach dem Guß richtig nachzustimmen. Sie lassen manchen Wunsch in musikalischer Hinsicht offen. Durch das verengte Intervall 10) ist die Klangentfaltung stark gebremst. Sie klingen „kleiner" als sie sind. Ferner ist die beabsichtigte Melodie der Schlagtöne (das sogenannte Te-Deum-Motiv e`-g`-a`) überhaupt nicht zu erkennen, weil die große Glocke um fast einen halben Ton zu hoch steht.

Die Klangqualität kann weiter verbessert werden durch eine Vervollständigung der Decke über der Glockenstube und durch eine rückwärtige Verbretterung hinter den steinernen „Schalläden". Ferner sollten die Klöppel aus gehärtetem Stahl gegen solche aus weichem Schmiedeeisen ausgetauscht werden, damit aus den Glocken musikalisch das herauskommt, was eigentlich in ihnen steckt.

 

Der Gutachter schlägt eine Tonkorrektur vor, die nachträglich auf dem Turm durchgeführt werden kann. Die Kosten sind relativ niedrig. Für all diese Maßnahmen kann bei der Erzdiözese Paderborn ein Zuschuß von 75 % beantragt werden.

Wir haben eine neue Orgel erhalten und den baulichen Zustand unserer schönen Kirche außen und innen von 1986 bis 1992 wesentlich verbessert. Vielleicht kann der Vorschlag einer Tonkorrektur einmal verwirklicht werden. Es wäre uns allen zu wünschen.

Mögen wir stets den großen Wert unserer Glocken immer wieder erkennen. Mögen sie uns erinnern, daß in ihrem Ruf sich Gott und die Welt begegnen, daß ihr Geläut ein beiderseitiges Grüßen darstellt und daß ihr Ton stets Frieden verkünden möge.

 
Wenn eine Glocke läutet

von Theodor Pröpper 11)


Wenn eine Glocke läutet,
dann bleib am Wege stehn
und atme ein das Schwingen
weitab von allen Dingen,
die doch so bald vergehn.

Wenn eine Glocke läutet,

dann laß die Stille ein,
die sich zu dir will neigen,
dir gute Rast zu zeigen
an einem Brunnenstein.

Wenn eine Glocke läutet,
blick auf, wo du auch bist.
Vom Klang noch im Entschweben
laß dich zur Höhe heben,
wo deine Heimat ist.


Die Sankt Anna-Glocke: Gußjahr 1948 in Siliziumbronze (Briloner Sonderbronze), Durchmesser = 1290 mm, ca. 145o kg, — aus östlicher Richtung fotografiert.
Beschreibung: Beschriftung gegenüber aus westlicher Richtung
Flanke I s (3, 8) cm) „SANKT ANNA", Schulter: Steg/7 cm mit Is „GEG. V. ALBERT JUNKER, BRILON 1948", Steg/2,2 cm/Steg,
Tonanalyse = über/unter der internationalen Stimmung: Unteroktave e + 12, Schlagton e` + 6, Prime e` = o, Terz g` + 9, Quinte h` + 12, Oktave e'' + 6;

 

 

Die Handglocke des Dorfausrufers

  Noch eine „Glocke" gehörte jahrzehntelang zum Leben unserer Dorfgemeinschaft und hat stets Aufmerksamkeit erregt. Nach ihrem Erklingen war

„BEKANNTMACHUNG"

das erste Wort mit dem Heinrich Hohmann Melchor, Franz Kaiser und zuletzt Heinrich Harbecke als Ausrufer unzählige Male wichtige Mitteilungen der Gemeinde ankündigten.

 


Im Wohnhaus unseres ehemaligen Bürgermeisters, Heinrich Kersting, hat die Handglocke einen Ehrenplatz gefunden, nachdem sie von Josef Becker im Abfall eines Gebäudes im Jahre 1972 gefunden wurde.

 

 

Zusatz des Verfassers zur: „Die Geschichte unserer St. Anna -Glocken:"
Wie traurig und schwer musste es für unsere Eltern gewesen sein, die herrliche St. Anna-Glocke, (1467 kg schwer) und die g' Glocke St. Maria (867 kg) schwer, im Jahre 1942 für einen wahnsinnigen Krieg abgeben zu müssen. In einem Gutachten über diese Glocken bescheinigt Seminaroberlehrer, Bern Esser, Fachlehrer für Musik Arnsberg, „dass die drei Glocken als vorzüglich gelungen und als höchstwertige Erzeugnisse der Gießerkunst zu bezeichnen sind, als Kunstwerke, deren klangliche Vorzüge kaum übertreffen sein dürften." (s. auch NUTTLAR gestern und heute, Band 1 Seite 139)

Am 15. August 1948 werden 2 „neue Ersatz- Glocken in Siliziumbronze (Briloner Sonderbronze) geliefert, die am 18. August 1948 mit der verbliebenen St. Joseph - Glocke geläutet wurden. Zahlreiche Nuttlarer haben sofort den Klangunterschied zum ehemaligen Geläute festgestellt. Der amtliche Glockensachverständige der Erzdiözese Paderborn, Theo Halekotte; Werl, spricht in seiner Stellungnahme vom 02.04.1985 über die neuen Glocken ein negatives Urteil aus. Glocken ansich sind wertvoll. Die Lieferfirma war 1948 allerdings noch nicht in der Lage, die Glocken nach dem Guss richtig nachzustimmen. Sie lassen manchen Wunsch in musikalischer Hinsicht offen. Durch das verengte Intervall (9 ist die Klangentfaltung stark gebremst. Sie klingen „kleiner' als sie sind. Ferner ist die beabsichtigte Melodie der Schlagtöne (das so genannte Te- Deum-Motiv: e', g', a',) überhaupt nicht zu erkennen, weil die große Glocke um fast einen halben Ton zu hoch steht. Die Klangqualität kann weiter verbessert werden durch eine Vervollständigung der Decke über der Glockenstube und durch eine rückwärtige Verbretterung hinter den steinernen Schalläden. Ferner sollten die Klöppel aus gehärtetem Stahl gegen solche aus weichem Schmiedeeisen ausgetauscht werden. Der Gutachter schlägt eine Tonkorrektur vor, die nachträglich auf dem Turm durchgeführt werden kann. Die Kosten sind relativ niedrig. Für alle diese Maßnahmen kann bei der Erzdiözese Paderborn ein Zuschuss von 75 % beantragt werden (siehe auch: NUTTLAR gestern und heute, Band 1, SGV 1893, Hrsg S. Flohmann, K.-H. Martini, Seite 132-150). Zur Zeit können wir uns den „Luxus" einer Klangverbesserung nicht leisten. Noch „drücken" andere Schulden und Prioritäten auf unsere gesellschaftliche Stimmungslage. Vielleicht kann aber eine spätere Generation eine Klangverbesserung unserer Glocken einmal durchführen.

Bei notwendigen Recherchen und erforderlicher Hilfe wurde ich besonders unterstützt von: Josef Dierkes Velmede, Werner Hohmann, Josef Hillebrand und Georgia Wiemer. Unbekannt sind die Bildfotografen der Seiten 135, 136, 137 li, 139 u. 144.